Auszüge hierzu aus dem Buch "Thailand Auswandern. Ja, aber richtig!"
Wer Thailand und seine Menschen ein wenig verstehen möchte, der wird nicht umhin kommen, sich mit dieser komplexen und zum Teil so grundverschiedenen Kultur auseinanderzusetzen. Wer gar beabsichtigt in Thailand geschäftlich aktiv zu sein, für den ist eine solche Auseinandersetzung unerlässlich. Es soll hier zunächst versucht werden, anhand von Grundphänomenen eine kleine Kultureinführung zu leisten. Eine „umfassende Kultureinführung“ würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Grundphänomene sind gleichsam Phänomene, die das Menschsein ausmachen und in jeder Kultur anzutreffen sind. (...)
Kulturimpressionen
Wer übrigens längere Zeit in Thailand verweilt und gründlich beobachtet, der wird erkennen, wie überaus inhaltsreich sich das Menschsein dort gestaltet. Da kann einen zuweilen das Gefühl einer eigenen inneren Armut und Leere überkommen. Wer sich eingehender mit Thailand beschäftigt (und nicht etwa nur mit seiner Barkultur), für den wird einleuchtend, dass Menschsein dort eben insgesamt vielfältiger und reicher ist. Diese komplexere und inhaltlich reichere Ausformung des Menschschseins zeigt sich bereits (...)
Thailand ist ein magisches, ein faszinierendes und spirituelles Land. Seien Sie gelegentlich schlichtweg dankbar dafür, dort sein zu dürfen und seien Sie sich dessen bewusst, dass dies etwas
Besonderes ist.
Seien Sie sich auch dessen gewahr, dass „Sie selbst“ durch das Erlernen oder Üben dieser Kultur in Ihrer Persönlichkeit noch „wachsen und reifen“ können. Oftmals werden Sie freilich an Grenzen
stoßen und bei sich selbst beobachten können, dass Ihnen manche Vorgänge und Erscheinungen Probleme bereiten. Dann sind Sie aufgrund Ihrer Innenverfasstheit vielleicht nur nicht in der Lage, das
Dargebotene richtig zu sehen und zu verstehen, weil es Ihnen schlichtweg völlig unbekannt ist. Unsere europäische Kultur hat sicherlich - auch klimatisch bedingt (...)
Der Großteil der thailändischen Bevölkerung lebt auf dem Land. Die wichtigste Keimzelle der thailändischen Gesellschaft ist nach wie vor die Familie. Dies hat seine tiefen Wurzeln in der thailändischen Kultur, aber auch im Buddhismus, sowie in einem zum Teil fehlenden gesellschaftlich finanzierten Sozialsystem. Thailand hat aber seinerseits ein durchaus funktionierendes Sozialsystem, das andere Antworten auf Not, Armut und Missstände kennt.
Die Harmonie der Sozialbeziehungen ist im Übrigen in Thailand nach wie vor wichtiger als Individualität und Selbstverwirklichung (...)
Thailändische Liebe ist nicht ausschließlich orientiert am eigenen Glücksempfinden, sondern konstelliert in einem größeren Umkreis. Es geht für Thais darum, mit dem persönlichen Tun, auch die Gesundheit und den Wohlstand der eigenen Familie zu fördern. Wo dies nicht gelingt, kann man sich auch leibhaft schlecht fühlen (...)
Ich neige zuweilen dazu, zu sagen, dass in jedem kleinen thailändischen Finger ein ungleich größerer Kulturreichtum steckt, als in einem deutschen Kopf. Ich bitte, mir diese symbolische Veranschaulichung nachzusehen. Die Grundphänomene menschlichen Seins sind in Thailand zum einen vielfältiger, zum anderen inhaltsreicher und lebendiger. Hier einige einfache Beispiele, die diese These belegen.
Feste werden in Thailand mit großer Farbvielfalt und mit ungeheurer Kunstfertigkeit gefeiert. Speisen werden mit großer Phantasie und Finesse zubereitet . Essen wird mit Familie und Freunden
gemeinsam „zelebriert“. Musik und Tanz (traditionell und modern) sind nahezu allgegenwärtig. Die Musikalität der Thais – vielleicht auch bedingt durch die tonale Sprache – ist für den Kenner in
höchstem Maße beeindruckend. Ästhetik und Schönheit sind wichtige Bestandteile der thailändischen Kultur und alltäglichen Lebenswelt. Die Religion der Thais, der Buddhismus ist überall kunstvoll
präsent, diese prachtvolle Präsenz ist in Form von Tempeln, Tempelfesten, Ritualen von allen gewünscht und wo möglich, durch Spenden gefördert. Arbeiten ist nicht nur da, um Geld zu verdienen,
sondern ist gleichzeitig eine Weise zu sein und nicht das Gegenstück zur Freizeit. Lieben ist (...)
Um die thailändische Kultur etwas verstehbarer werden zu lassen, sollen hier einige Wörter erläutert werden, die im Leben der Thais von zentraler Bedeutung sind. „Grundwörter“ ermöglichen es am ehesten, einen Einblick in die inhaltliche Struktur einer Gesellschaft zu geben. Dies eben deshalb, weil man dann vom Grunde her ein wenig zu fassen bekommt, worum es den jeweiligen Menschen in einer Kultur geht und wie man sich in ihr verhält.
In sogenannten Grundwörtern oder Grundbegriffen verdichtet sich demnach das Wesen einer Kultur in besonderer Weise. Es sei demnach hier versucht, einige dieser thailändischen Grundwörter zu
erläutern.
Ob Thais auch Ihnen als Ausländer – wie den thailändischen Mitbürgern – greng djai entgegenbringen, wird nicht zuletzt von Ihrem eigenen Verhalten abhängen.
Greng djai könnte man gleichsam als das Basiskonzept thailändischer sozialer Interaktion bezeichnen. Das thailändische Lächeln hat viel mit diesem greng djai zu tun, indem man eine angenehme Atmosphäre (arom dii) schaffen will, indem man Konflikte in jedem Fall zu vermeiden sucht, indem man den anderen positiv stimmen möchte, indem man rücksichtsvoll, höflich und achtungsvoll mit anderen umgeht. (...)
(...)
Die sprichwörtliche Thainess (Typologie der Thais) oder weshalb sich Thailand für den Auswanderer so positiv als LOS (Land of smiles – Land des Lächelns) zeigt, hat nicht zuletzt seine Ursache in diesen harmonisierenden und komplexen sozialen Fähigkeiten der Thais, die den sozialen Umgang grundlegend anders als in D/A/CH gestalten.
Um ein vollgültiges Mitglied der thailändischen Gesellschaft zu sein, gilt es, ein hohes Maß an „ausgleichenden Sozialfähigkeiten“ erworben zu haben und zu beherrschen. (...)
Um in Thailand eine anerkannte, wertgeschätzte Persönlichkeit sein zu können, gilt es die folgenden sozialen Fähigkeiten verinnerlicht zu haben und zu praktizieren.
Die Sozialfähigkeiten einer wertgeschätzten thailändischen Persönlichkeit:
Was kleinere Regelverstöße von Ausländern anbelangt, sind Thais - wie schon erwähnt - sehr nachsichtig. Sollte man sich tatsächlich ärgern, so nützt man diese Gelegenheit in aller Regel, um Gleichmut und Selbstkontrolle zu üben. Gleichmut und Selbstkontrolle sind insgesamt sehr wichtige thailändische soziale Tugenden, weshalb man über vieles mit einem lässigen mai bpen rai (macht nichts, nicht so schlimm) hinwegsieht oder ein kühles Herz (djai yen ) wahrt. Thais tun dabei nicht nur so, als seien sie tolerant und nachsichtig, sondern sie sind es eben durch ihre Innenverfasstheit. (...)
Besonnen zu bleiben, nicht die Fassung zu verlieren, Selbstkontrolle zu praktizieren sind hohe Persönlichkeitsideale der thailändischen Lebenswelt. Sollte ein Westler – wie häufiger zu beobachten
– emotional entgleiten oder gar einen Wutausbruch erleiden, so wird man hierauf in der Regel mit einem verlegenen Lächeln reagieren und solches Verhalten als mangelnde Fähigkeit zur
Selbstkontrolle erleben. Vermutlich regen sich gar Bedauern und Mitleid.
Die Toleranzschwelle der Thais ist im Übrigen durch deren andere Innenverfasstheit extrem hoch. (...)
Das Durchschnittsalter der Bevölkerung betrug in Thailand im Jahr 2014 36,2 Jahre. Das Durchschnittsalter in Deutschland 2014 46,1 Jahre, in Österreich 44,3 Jahre und in der Schweiz 42 Jahre . Vor diesem Hintergrund ist nachvollziehbar, dass gerade deutsche Auswanderer die thailändische Gesellschaft als eine junge Gesellschaft erleben. Darüber hinaus ist die thailändische Gesellschaft insgesamt sehr jugendlich orientiert, was am deutlichsten im Fernsehprogramm zu erkennen ist (Werbefernsehen, Soaps), wo überwiegend sehr junge Menschen zu sehen sind. In gewissem Sinne treffen hinsichtlich des Selbstverständnisses von „alt“ oder „jung“ gerade bei Deutschen und Thailändern zwei Extreme aufeinander. Während man in Deutschland eigentlich erst jenseits der 70 (und dann nur sehr vorsichtig) beginnt, davon zu sprechen, dass jemand alt ist, bezeichnen sich in Thailand oftmals Menschen jenseits der 30 aber spätestens ab 35 häufig schon als alt. Diese innere Grundhaltung der Thais, sich relativ früh alt zu fühlen, (...)
Besonders befremdlich für europäische Auswanderer ist das „eigentümliche“ Verhältnis der Thais zum Tod. Dieses „andere Verhältnis zum Tod“, zur „Vergänglichkeit“, (...)
(...)
In derartigen Grenzsituationen wird der Kulturunterschied schlagartig deutlich, und wir sind nicht in der Lage, die gleiche Empfindungsstruktur wie Thais aufzubauen und das Gleiche wie jene wahrzunehmen. Wir sehen etwas anderes; was die Thais ihrerseits sehen, wissen wir nicht, es bleibt uns fremd. In solchen Augenblicken wird europäischen Auswanderern nach meiner Einsicht besonders eindringlich bewusst, sich letztendlich (...)
Nochmals: Ohne dies moralisch bewerten zu wollen:
Europäer sehen häufig „etwas anderes“ als Thailänder und dies begründet bereits an sich elementare Missverständnisse.
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